Hamburger Abendblatt 25. August 2018
Blindenreportage
jetzt auch beim
RollstuhlbasketballDas bundesweite Projekt
T-Ohr ermöglicht barrierefreie
Teilnahme an Veranstaltungen
HAMBURG…
Kopfhörer auf
und
schon ist der Kommentar zu hören
auch so kann man live ein Rollstuhlbas-
ketballspiel miterleben. Jedenfalls wenn
man blind oder sehbehindert ist. Philipp
Dienberg (29) verteilt Kopfhörer, setzt
sich inmitten der anderen Zuschauer auf
der Tribüne und kommentiert engagiert
und kenntnisreich das Spiel der deut-
schen Männer gegen Marokko. Heim-
WM in Hamburg. Die Begeisterung in
den Gesichtern seiner Zuhörer zeigt
dem Radioreporter, dass die Neuerung
gut ankommt, vor allem weil das Natio-
nalteam gewinnt. „,Es macht Laune, Leu-
te, oder?“, ruft er in sein Headset.
Inzwischen ist die WM fast zu Ende,
und der Pilotversuch aus der vergange-
nen Woche wurde ausgeweitet. Halbfi-
nals und auch die Finalspiele der Män-
ner und Frauen in der Halle in Wil-
helmsburg werden dann von Dienbergs
Kollegen kommentiert. Möglich macht
dies die Arbeiterwohlfahrt, die mit dem
bundesweiten Projekt T-OHR die Idee
der Blindenreportagen in vielen Sportar-
ten verankern möchte. Unterstützt wird
sie von der Aktion Mensch und der DFL-
Stiftung.
Im Profi-Fußball ist dieser ServiceStituig
Im Profi-Fußball ist dieser Service
lange selbstverständlich, nun soll er aus-
geweitet werden. Die Rollstuhlbasket-
ball-WM 2018 bot sich dafür als perfek-
tes Versuchsfeld an. Dienberg ist Teil
dieses Projekts. Vor fünf Jahren hatte
der damalige Zweitligist Fortuna Düssel-
dorf Blindenreporter gesucht, Radiore-
porter Dienberg wollte Gutes tun, mach-
te mit, und seither kommentiert er eh-
renamtlich Spiele der Fortuna für
sehbehinderte Fans. Dabei wird darauf
geachtet, dass die Reporter den Zuhö-
rern nicht die eigene Sichtweise und
Interpretation der Spiele liefern, son-
der möglichst plastisch beschreiben,
was sie sehen. Der Rest entsteht in den
Köpfen der Zuhörer als eigene Reporta-
ge. „Ein Basketballspiel zu kommentie-
ren ist eine tolle, neue Herausforde-
rung“, sagt Dienberg, der nur für ein
Spiel nach Hamburg gekommen ist.
Auch der neue Behindertenbeauf-
tragte der Bundesregierung, Jürgen Du-
sel, seit Mai im Amt, hat sich das Projekt
persönlich angesehen. Er ist seit seiner
Geburt stark sehbehindert und freut sich
über die innovative Möglichkeit, Sport
für Behinderte erlebbarer zu machen.
»Ich habe zuvor noch nie eine Blindenre-
portage gehört. Es hat mir sehr gut gefal-
len. Ich freue mich, dass es so etwas
gibt“, sagt er. „Für mich ist das auch eine
Form von Barrierefreiheit, die noch stär-
ker wachsen muss.“
Dienberg jedenfalls hat erste Maß-
stäbe gesetzt. „,Schon wieder zappelt der
Ball im Netz“, war so ein Satz von ihm.
Dass die deutschen Männer danach an
diese Leistung nicht mehr anknüpten
konnten und ausschieden, haben die
Frauen im Nationaltrikot mit dem Errei-
chen
des Halbfinales
wettgemacht.
Dienbergs Kollegen am Headset müssen
nun zeigen, dass auch sie die Zuhörer in
ihren Bann ziehen können. Fremdsehen
will gelernt sein.