Der Zuhörer zu Hause ist ja auch blind

T_OHR Logo. Links AWO-Herz, rechts weiße Buchtaben T O H R auf rotem und schwarzen Untergrund.

Artikel vom 03.November 2019

Der Fußball hat

das berufliche

Leben von

Florian Schneider

verändert.

Für seine

Reportagen

für Blinde aus

dem Stadion

wurde er für

den Deutschen

Integrations-

preis nominiert.

Schneider ist

Fußballreporter

für Seh-

behinderte.

Von Stephan

Köhnlein 

„Grundsätzlich ist der Zuschauer zu Hause ja auch blind“

Vor zehn Jahren saß Florian Schneider

zum ersten Mal im Stadion des SV

Darmstadt 98, um ein Fußballspiel des

Zweitligisten zu verfolgen. Schneider,

eigentlich gelernter Hotelfachmann,

macht heute Fußballreportagen für

•Blinde. Dafür wurde der 38-Jährige

sogar für den Deutschen Integrati

onspreis nominiert.

Dabei war es bei Schneider keine

Liebe auf den ersten Blick für die „Li-

lien“, wie der Verein wegen seines

Wappens genannt wird. Doch nach

seinem ersten Besuch im Stadion am

Böllenfalltor kam er immer öfter, kauf-

te sich eine Dauerkarte für die Lilien.

„Der Verein mit seiner Identität ist

faszinierend“, sagt er. „Das ist ein

kleines Herzstück Fußball im großen

Kommerzdschungel.

2013 war Schneider dann dabei,

als das Fanradio entstand.

„Auf der

Homepage haben sie Moderatoren

gesucht“, erinnert er sich. „Den Traum

vom Radio- oder Fernsehmoderator

haben ja viele. Und da konnte ich

ananahioran “ Fin lahr späteruga

auf. Und damit begannen auch die

Blindenreportagen.

.Wir hatten Blindenreportagen zu-

nächst gar nicht auf dem Schirm“,

berichtet Schneider, der für die, Lilien“

derzeit als stellvertretender Abteilungs-

leiter der Fan- und Förderabteilung

FuFa aktiv ist. Die Geschäftsführung

angesprochen, damit auch blinde

Menschen im Stadion das Spielge-

schehen live verfolgen können. Auf

einer Schulung der Deutschen Fußball

Liga DFL wurden die Fanreporter dann

fit gemacht.

In der Saison 2018/2019 gab es nach

Angaben der DFL erstmals in allen Sta-

dien der Bundesliga spezielle Reporta-

gen für Blinde und Sehbehinderte. Die

erste Live-Blindenreportage war 1999

in Leverkusen angeboten worden.

Was unterscheidet eine Blinden- von

einer Hörfunkreportage? „Es kommt

vor allem auf die Verortung an.“, sagt

Schneider. Bei Radioreportagen stehe

meist im Vordergrund, Stimmung zu

transportieren. Bei einer Blindenre-

portage sage man detaillierter, was

auf dem Spielfeld passiere. Es werde

nicht kommentiert, sondern repor-

tiert. „Aber natürlich freuen wir uns

bei einem Tor für Darmstadt schon

ein bisschen mehr“)

sagt Schneider.

Das klassische „Müller … Gnabry. Müller .

… Tor“ gebe es in einer

Blindenreportage nicht. Das würde bei

Schneider etwa so klingen: „Rechts,

gerade über die Mittellinie läuft Tobias

Kempe zwei Meter von der Außenlinie

entfernt, zieht jetzt in die Zentrale und

schiebt den Ball flach über zehn Meter

mit dem linken Fuß zu Felix Platte,

der in die Gasse Richtung 16-Meter-

Eck gesprintet ist. Platte fackelt nichtlange und zieht aus 14 Metern halb

rechts im Strafraum ab. Flach unten

links. TOOOOR! Der Ball schlägt direkt

neben dem Pfosten ein.

Die Reportagen des Fanradios bei

Darmstadt 98 sind so aufgebaut, dass

jeder am Spiel teilhaben kann – ob

im Stadion oder im Livestream über

das Internet. „Grundsätzlich ist der

Zuhörer zu Hause ja auch blind“, sagt

Schneider. „Eine Blindenreportage ist

für mich eine qualitativ hochwertige

Radioberichterstattung.“

Die Reportagen verschafften Schnei-

der auch seinen heutigen Job: Auf den

alljährlichen Schulungen der DFL Wur-

de 2018 das Projekt T_OHR vorgestellt.

Ziel ist es, die Expertise der Sehbe-

hinderten- und Blindenreportage auf

weite Teile der Gesellschaft und eine

Vielfalt von Sportarten auszuweiten.

Gefördert wird das Projekt von der

Aktion Mensch und der DFL-Stiftung,

getragen von AWO-Passgenau, dem

Trägerverbund der Fanprojekte der

Arbeiterwohlfahrt.

Schneider ist bei T OHR einer von

zwei Festangestellten. Das Projekt wur-

de für den diesjährigen Deutschen In-

tegrationspreis nominiert. In der zwei-

ten Runde ging es darum, per Crowd-

funding, bei dem viele Menschen

jeweils einen kleinen Betrag investie-

ren, mindestens 10.000 Euro einzu-

sammeln. Das Ziel verfehlte T OHR nur um wenige hundert Euro. 

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